Ein Interview mit Theo von Shirley Tümpel
Mai 2021
Der 14-jährige Waldorf-Schüler Theo wohnt mit seiner großen Familie und Hund in Talhausen, einem idyllischen Dörfchen der Gemeinde Markgröningen.
Befragt nach seiner Beziehung zur ländlichen Umgebung sprudelt aus ihm ziemlich intelligent heraus: „Talhausen bietet als naturnaher Wohnort viele Vorteile; enorme Flächen an Spiel- und Beschäftigungsraum laden dich hier ein. Um nur einigle Beispiele zu nennen: Wiesen, Wälder, Tümpel, ein Bach namens ´Glems`, der ´Schlüsselberg` und anderes. Mich reizt, dass ich hier gut Tiere erkunden und beobachten kann.“
Shirley: Was ist zur Zeit das Wichtigste für dich?
Theo: Zur Zeit schreibe ich gerade ein Buch im Rahmen einer Jahresarbeit für meine Schule: Ein Zukunftsthriller wird das. Der Blick aus dem Fenster auf die Rehe hier in der Umgebung ist mir dabei eine willkommene Ablenkung. Ich nutze übrigens jede Gelegenheit, um mich abzulenken.
Meine Neugier auf konkretere Informationen bezüglich seiner Vorgehensweise und der besonderen Qualität des Schulprojektes beantwortet Theo folgender Maßen: „Ich möchte in dieser Arbeit eigene Erfahrungen über Tiere einbringen. Am Ende will ich das Ganze einem Verlag schicken. (Schmunzelnd) Vielleicht werde ich ja Millionär…Es wird sicherlich vorteilhaft sein, wenn ich bei der Schulpräsentation sagen kann, dass mein Buch zwischenzeitlich an einen Verlag geschickt worden ist - sozusagen als kleiner ´Aufpepper`. Wir müssen über ein Jahr hinweg ein Thema dokumentieren, z.B,. ein Buch wie meines, z.B. einen Eulenkasten von der Entstehung bis zum Einsatz in der Natur, z.B. ein Insektenhotel Inch. seiner Besiedelung, z.B. eine überdimensionale Spieluhr, die per Fahrraddynamo betrieben wird. Jeder der 36 Schüler muss sich etwas aussuchen, es stehen uns über ein Jahr hinweg alle denkbaren Möglichkeiten offen“
Ich bitte Theo, seine jetzige Schule mit dem konventionellen Gymnasium zu vergleichen, wo er 1,5 Jahre Schüler war. Souverän erläutert er mir die wesentlichen Unterschiede: „Beim Gymmi herrscht ein viel höherer Druck auf die Hauptfächer. Im Gegensatz dazu legt die Waldorfschule mehr Wert auf körperliche und geistige Weiterentwicklung. Musik und Eurhythmie sind dort Kerninhalte. Jeder von uns Schülern muss ein Instrument spielen. Ich habe mich für die Blockflöte entschieden. Wir bekommen als Gemeinschaftsaufgabe ein Lied, das wir dann zusammen als Orchester einüben. Das macht mir mehr Spaß. Gymmi und Waldi sind eigentlich schwer zu vergleichen. Die Priorität des Gymnasiums ist eher Leistung und schnelles Vorankommen. Eigentlich hätten wir in diesem Jahr wieder ein Klassenschauspiel aufgeführt. Das fällt wegen Corona leider flach, was ich sehr schade finde, weil dadurch die Klassengemeinschaft gestärkt worden wäre.“
Shirley: Theo, wie stehst du zu Corona?
Theo: Es schränkt uns als Kinder ein, was Kommunikation mit Gleichaltrigen angeht. Auch in der Schule können Freundschaften nur noch sehr beschränkt stattfinden. Man darf ja ab 14 Jahre nur noch eine Person treffen. Ich kann nicht mit meinen beiden Cousins, die so alt sind wie ich, Zelten gehen und übernachten. Das haben wir immer gerne gemacht. Jetzt übernachten die ohne mich. In Corona Zeiten sind manche Dinge erschwert. Mit meinen Freunden aus der Nachbarschaft hier bin ich viel im Glemstal unterwegs. Wir haben viel Zeit mit Angeln erbracht. Man konnte ja nicht so viel machen außer PC und Angeln. GMX ist wegen dem Andrang wohl nur mit Maske möglich. Sport ist gar nicht mehr möglich, was die ganze Sache erschwert hat.
Shirley: Hat dein Frust in der Corona-Zeit auch mit der Abgeschiedenheit deines Wohnortes zu tun?
Theo: Ja, es fällt vieles flach mit anderen Menschen, weil man halt in Talhausen auch einfach abgeschnitten ist von den nächsten Städten. In Ludwigsburg z.B. wohnen die meisten Klassenkameraden von mir. Ich brauche 20 Minuten zum Bus, 20 im Bus mit der Maske, wieder mindestens 15 -20 Minuten am Bahnsteig mit Maske warten, in der Bahn dann ca. 5 Minuten mit der Maske, plus ein Fußweg von ca. 10 Minuten. Macht 70-75 Minuten für einen Weg, mit Verspätungen 1,5 Stunden. Nur um zu meinen Freunden zu kommen.
Shirley: Aber wäre es dann nicht in mancher Weise einfacher, in der Stadt zu leben?“
Theo: Nein, in der Stadt zu leben wäre für mich ausgeschlossen.
Shirley: Hast du schon eine Vorstellung von deinem späteren Beruf?
Theo: Nö; momentan habe ich noch gar keinen Kopf für eine klare Berufswahl.“
Shirley: Natur ist ein wichtiges Thema für dich, gell Theo?
Theo: Ja, Natur ist ein sehr wichtiges Thema. Wenn man so nah an Tieren ist wie in Talhausen, kann man sich gar nicht vorstellen, wie das wäre, wenn es das nicht gäbe.
Shirley: Gibt es irgend etwas, was du besonders genießt in der Natur?
Theo: Ja, z.B. die Laichentwicklung von Amphibien zu beobachten bis zu den erwachsenen Tieren. Wenn man so mitkriegen kann, wie die schwarzen Punkte in den Gallert-Eiern immer größer und körperlicher werden, das ist schon toll.
Shirley: Was wünscht du dir für den Naturschutz?
Theo: Dass die Menschen die Natur mehr schätzen. Viele wissen ja gar nicht, was für ein Glück sie haben, dass es so was wie die Natur noch gibt, wenn sie z.B. ihren Müll im Wald zurücklassen.
Shirley: Was ist Natur überhaupt?
Theo: Für mich einerseits ein Ort, wo Tiere und Pflanzen frei und ungestört und unbedroht leben können. Andererseits auch ein Ort, der für die jeweiligen Tiere wichtige Bedingungen erfüllt.
Erst wenn beides gewährleistet ist, kann man von Natur sprechen.
Shirley: Du bist mit 14 Jahren ja ganz schön alt für die NAJU-Veranstaltungen und bist trotzdem noch dabei?!
Theo: Man ist nie zu alt für NAJU!!
Shirley: Was interessiert dich an der Naturschutzjugendarbeit?
Theo: Es gibt zwei Arten von Projekten: Einerseits diejenigen, die man an einem Wochenende einmalig plant und durchführt, wie z.B. Exkursionen oder das Bauen von Nistkästen. Andererseits gilbt es auch Projekte, die sich jedes Jahr wiederholen, wie z.B. Tümpel Anlage und -pflege oder das Freihalten und Säubern des „Kühlen Brünneles“. Man muss hier aufpassen, dass weder das eine, noch das andere Überhand nimmt.“
Ich frage Theo nach direkten Beispielen für persönliche Wünsche an den NABU/NAJU.
Ohne großes Nachdenken kommt die prompte Antwort: „Ein Infostand auf dem Markgröninger Markt, wo auch Nistkästen gekauft werden können und Anleitungen zum Selberbauen.
Theos Rat für den Naturschutz: „Man sollte aufpassen, dass man weder zu schnell, zu groß, noch zu beschränkt denkt. Sich Ziele zu stecken ist gut, aber 100 Baustellen werden nicht fertig.“
Shirley: Was fällt dir zum Thema Angeln ein?
Theo: Es gibt genug Leute, die jeden Tag minimum zu einer Mahlzeit Fleisch essen. Wir in meiner Familie essen ca. 2 Forellen im Jahr. In den drei Jahren meiner Angelkarriere habe ich 6 Stück gefangen. Dann beschweren sich jedoch Leute beim mir, dass es grausam wäre zu angeln.
Das, obwohl sie täglich Fleisch essen, oft sogar von Schweinen und Rindern aus Massenproduktion. Ich finde, dass jeder, der Fleisch isst, wissen sollte, woher das Tier kam, von dem das Fleisch stammt, das auf seinem Teller liegt. Ich finde Fleischessen okay, solange es im Rahmen bleibt und die Tiere gut gelebt haben. Sozusagen „bewusstes Fleischessen“. In meiner Familie leben wir vorwiegend vegetarisch.